#1

Die unmenschliche Dimension

in Einblicke, Ansichten und Aussichten 01.06.2017 19:50
von Wassermann • 150 Beiträge

oder:
Der Verlust der Schönheit


F.
Fuck.
Das denken die meisten der wenigsten, die das lesen.
Nein.
Fakten, meine ich.

• Deutschland ist eines der dicht besiedelten Flächenländer.

• „Etwa 46 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsflächen sind versiegelt, das heißt bebaut, betoniert, asphaltiert, gepflastert oder
anderweitig befestigt. Damit gehen wichtige Bodenfunktionen, vor allem die Wasserdurchlässigkeit und die Bodenfruchtbarkeit,
verloren. Mit der Ausweitung der Siedlungs- und Verkehrsflächen nimmt auch die Bodenversiegelung zu.“
http://www.umweltbundesamt.de/daten/bode...lung#textpart-1

https://de.statista.com/statistik/daten/...ch-deutschland/

https://de.wikipedia.org/wiki/Ökolo...ußabdruck

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/im...t-15035467.html

„Die Schönheit muss lange im Auge des Betrachters gelegen haben. Ehe sie leise ging.“ (W.)

Untot, so nennt man das doch, oder?
Egal, ich frage mich nicht, warum.
Kein P.
Kein hartes P.
Ein weiches.
P.
Psychogeographie. Schon mal gehört?
Sicher nicht.
Aber gefühlt vielleicht.

Ich jedenfalls.
Hätte, wäre, könnte, würde…
Ich hätte das studiert.
Das wäre mein Ding gewesen.
Ich könnte viel darüber schreiben.
Würde sich aber nicht lohnen.
Wegen: Untot.

Dieser Ort ist psychogeographisch untot.
Also noch nicht ganz tot.
Ein paar leben noch zwischen schönen Momenten und Marmeladen.
Immerhin.

Also kein hartes P.
Wie Politik.
Darauf reagieren die Untoten im besten Fall: Gar nicht.
Im anderen Fall aggressiv.
Schon klar.
Kassandra.
K.
Zu kompliziert.

Und wir treiben gerade so schön in der Strömung.
Wie immer.
Nichts Neues. Bleibt lange.
Dann ist schon wieder alles neu.
Das Alte?
Ach, vergessen.
Was kommt nach untot?
Das Alte.

Also gut. Kein hartes P.
Reden wir über ein weiches.
Thema.
Bau. Das ist ja so ein bisschen K.
Kultur.
Das kann alles bedeuten.
Und nichts.
Ist das noch K? Korrekt?
Das Wort Kultur?
Und P?

Was soll´s. Ich wollte nicht fragen.
Jedenfalls: Nicht direkt.
Ich müsste über K schreiben.
Und P. Nein B.
Und E. Wie Ende.
Das Ende aller Bau-Kultur.

Hoffentlich wirft mir jetzt niemand vor, dass ich doch über P schreibe.
Indirekt.

Ach was.
Hat wahrscheinlich gar keiner gelesen.
Und wenn schon – dann nicht verstanden.

Egal.

Nicht egal - dies hier noch:
Ein Text, der mir aus der Seele spricht.
Deshalb möchte ich ihn nicht allein für mich behalten.
Ich fand darin viele meiner Empfindungen, sogar meiner Worte.

Die „menschliche Dimension“ der Orte.
Genau das hatte ich gemeint. Früher.
Also hätte.

https://www.welt.de/debatte/kommentare/a...eht-weiter.html

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#2

RE: Die unmenschliche Dimension

in Einblicke, Ansichten und Aussichten 02.06.2017 00:12
von Wolo • 209 Beiträge

Architektur kann nicht unpolitisch sein.
Und Architektur spiegelt natürlich - immobil über die Zeiten - die Kultur.

Ich habe hier zu dem Thema schon einmal diesen Leipzig-Film von 1931 verlinkt (der liebe Magentis hat den später "nochmal" entdeckt :P). Ich hatte dazu auch zu einem Typen aus Jena verlinkt, dessen Texte dir vielleicht auch gefallen:
https://thwangenheim.wordpress.com/2017/...schland-teil-1/
(Es gibt auf der Seite einige wunderliche Sachen zu entdecken, dieser Mensch bemüßigt sich seltsam zu reisen)

Der schrieb damals unter das Video:
"Es ist fast unglaublich, wie weit eine Gesellschaft in nicht einmal 100 Jahren von einem frohgemuten Lebenswillen zu einer solchen Bejahung oder wenigstens Gleichgültigkeit der Verlotterung herabsinken kann. Und wie sie richtig betiteln - das ist sogar das worst case Szenario dieser alten Epoche: die Nachkrisenzeit, d.h. einer echten Krise. Wir lachen über die klassischen Gemälde der zerfallenen römischen Ruinen, in deren Schatten irgendwelche ahnungslosen Fellachen ihre Schafe hüten. Im Grunde ist der White Trash, der heute zwischen den verbliebenen Fassaden der alten Zeit umherirrt (ob zu Fuß oder im Auto) nichts anderes. Man sagt so leicht: Der Untergang des Abendlandes. Aber das es dann doch so ungeheuerlich zugeht, wie vor 1500 Jahren mit Rom - wer hätte das je für möglich gehalten?"

Und ja, die Entfremdung, die mich packt, wenn ich heute in die Innenstadt schaue, ähnelt qualitativ durchaus jener, die mich traf, als ich erstmalig die "Neubesiedlung" einer antiken Stadt (irgendwo in den Bergen) zu sehen bekam. (Und für den, der es nicht ganz versteht: Das hat nichts oder nur wenig mit Arabern zu tun ... wenngleich das wohl auch die ersten waren, die Amphitheater als Karawansereien umgenutzt haben)

Ok.
Zu den Bauten der "Automenschen":
Der formensprachliche Duktus der modernen Bauten trägt bei uns im engen Familienkreis die Bezeichnung Klohaus-Architektur. Wahrscheinlich nahm das seinen Anfang, als wir (als Zugezogene) die Rumpelgasse "entdeckten". Ich hab am Eingang dieser Gasse schon einmal eine Spaziergängerguppe älterer Frauen beobachten können, denen der sich recht plötzlich ergebende Einblick in die Gasse den Schrecken ins Gesicht zeichnete. Die blieben stehen und waren nicht in der Lage die Gasse zu betreten - machten kehrt und nahmen einen Umweg in Kauf.


P.S. Es gibt auch einen Erfurt-Film:
https://www.youtube.com/watch?v=NdCSuetqv_k
Den Pavillion bei 1:02 habe ich letztens besucht - allerdings lagen dort Bierflaschen(teile) herum (hinter dem Pavillion noch "anderes") und es roch nach "Pisse". Immerhin waren an die Innenwände "antifaschistische Parolen" aufgekrakelt. Ein wichtiges Zeichen dafür, dass man die Zeiten des Bösen endgültig überwunden hat!

(Und, wenn man einmal dabei ist - das schöne Thüringen: https://www.youtube.com/watch?v=_hqzgeMsbyw)

P.P.S. Im Welt-Artikel wird auf Tattoos verwiesen:
Doch auch bei der "Körperdekoration" neigt mancher Zeitgenosse zur Minimalisierung:
https://addpics.com/i/de3-b-7c60.jpg
Dem Kopfhörergebrauch tut so etwas ja keinen Abbruch :)
-> So. Gut. Und jetzt nochmal die Protofaschisten in den Strassen von Leipzig 1931 beschauen (oder halt die argen Militaristen in Erfurt 1913)...


zuletzt bearbeitet 02.06.2017 00:18 | nach oben springen

#3

RE: Die unmenschliche Dimension

in Einblicke, Ansichten und Aussichten 02.06.2017 11:41
von Printmaker • 30 Beiträge

Man sollte die Dinge von ihren Anfängen her betrachten bzw. von ihren Neuanfängen. Das war hier die Zeit nach dem letzten Krieg. Die beiden Deutschlands hatten ihre großen Brüder und haben sich derer Kultur und Baukultur ein großes Stück weit unterworfen. Wobei ich die Wohnbauten stalinscher Prägung aus den fünfziger und frühen sechziger Jahren so schlecht nicht finden kann. Die waren aber freilich auch ideologisch grundiert und es lag ihnen die Vision einer weitgehend homogenen Gesellschaft zugrunde bzw. der Gemeinschaft.
Das Weltbild des Kapitalismus ist ein anderes und es gibt wahrscheinlich keinen illustrativeren Beweis dafür, daß 1989/1990 keine "Wiedervereinigung" und schon gar keine "Revolution" stattgefunden hat, als das Feld der Architektur. Für die Sichtbarmachung des Zeitenwandels braucht man aber auch nicht unbedingt die Institutionen verantwortlich machen (die schließlich auch nur Ausführende für Bevölkerungsmehrheiten sind); viel früher noch wurden die Zeichen beim individuellen Wohnbau gesetzt. Landhäuser im bayrischen oder schweizer Stil in sächsischen Landschaften auf der einen, Billighäuser nach Katalog mit der Option zur kreativen Endgestaltung durch die mehr oder weniger (zumeist letzteres) begabten Eigentümer.
Wie Wolo schon schrieb: Architektur spiegelt Kultur bzw. Gesellschaft. In diesem Zusammenhang freilich auch die Eigentumsverhältnisse.

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#4

RE: Die unmenschliche Dimension

in Einblicke, Ansichten und Aussichten 02.06.2017 15:40
von ernst • 72 Beiträge

Das sehe ich vermutlich ähnlich. Aber wir hatten es vielleicht schon immer. Zur Gründerzeit wurden auch nur die Häuser in der ersten Reihe prächtig herausgeputzt. Die in der zweiten und dritten Reihe wären eher zweckmäßig, d.h. es wurde der minimal notwendige Komfort hineingebaut. Heute sind manche der Hinterhöfe lichter und man findet in den Hinterhäusern manchmal die attraktiveren Wohnungen, weil es dort keinen Verkehrslärm gibt. Solche Unterschiede gab es nicht nur zwischen Vorder- und Hinterhaus sondern zwischen einzelnen Wohnvierteln, z.B. unserem Damenviertel (Wolos Link) und dem Kiez um die Otto-Schott-Straße, der von Anfang an als Arbeiterviertel Ende des vorletzten Jahrhunderts gebaut wurde.
Im von Wassermann verlinkten Beitrag aus der "Welt" sieht man die neuen "Arbeiterschließfächer", nur dass die sich z.B. in München kein Arbeiter leisten kann. Ein Problem, dass gerade meinen Schwiegersohn in München umtreibt. Den Arbeitsmöglichkeiten folgend wird die junge Familie in München wohnen bleiben müssen. Sie erwägen, auch um etwas Sicherheit zu haben, eine solch überteuerte Wohnung zu kaufen.
In einem anderen Viertel in Münchens Norden wurden einfache Wohnungen aus den 60er/70er Jahren entmietet, entkernt, neu zugeschnitten und als komfortable Eigentumswohnungen verkauft. Auch das sind Folgen der gesellschaftlichen Verhältnisse.

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#5

RE: Die unmenschliche Dimension

in Einblicke, Ansichten und Aussichten 02.06.2017 17:29
von Mete • 228 Beiträge

ernst, nicht nur in München. Auch in Leipzig werden jetzt aus mehreren kleinen Wohnungen die Mieter per Kündigung vertrieben (es sind meist Leute, die sich aus Kostengründen eingeschränkt hatten), die Wohnungen wurden "zusammengelegt" und als repräsentative Arrangements verkauft. Besonders entwürdigend, dass während der Suche nach einer anderen kleinen Wohnung ständig Interessenten anklopften und die Möglichkeiten der künftigen großen Wohnung prüfen wollten - also Wände abklopften, Durchbrüche besprachen - der Noch-Mieter stand dabei...

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#6

RE: Die unmenschliche Dimension

in Einblicke, Ansichten und Aussichten 02.06.2017 19:09
von Klara • 106 Beiträge

Pfffff…
In der Not frisst der Teufel Fliegen…
Wenn es eng wird, wird schnell gebaut, so war es schon immer, denn die eigenen vier Wände bedeuten auch ein Stückchen Freiheit.
Erst einmal.
Dann kommt die Ernüchterung, wenn der Mief vom Nachbarn herüberüber weht, oder man die Streitereien der Nachbarn hautnah miterleben muss, oder weil der Müll einfach vor der Haustür entsorgt wird, weil „Viele“ dort wohnen und man die Übeltäter nicht ausmachen kann.
Neukölln wird sich verändern, aber nicht so, wie es viele erhoffen, die Besserverdienenden werden die „Armen“ verdrängen, es hat schon begonnen.
Nach der Wende sagte ein Wessi zu mir:
„Macht nicht denselben Fehler, den wir gemacht haben…, bei euch ist alles noch so authentisch. “
Wir haben ihn gemacht!


zuletzt bearbeitet 02.06.2017 19:12 | nach oben springen

#7

RE: Die unmenschliche Dimension

in Einblicke, Ansichten und Aussichten 03.06.2017 19:53
von ernst • 72 Beiträge

Stimmt, Mete. Leider ist es inzwischen überall so, wo Wohnungen knapp werden. Da war wohl auch der Privatisierungszwang eine Ursache, erzwungen durch die "Altschulden", die es de facto ja gar nicht gab aber wunderbar geeignet waren den ungeheuren Druck zur Privatisierung von Fabriken und Wohnungen aufzubauen. Außerdem kann man heute sein Geld (wenn man zu viel davon hat) ja nur noch in Beton anlegen, wenn man es nicht verlieren will. Es ist pervers aber leider Realität.
Unser Jugendstilviertel wurde auch denkmalsgerecht renoviert. Mangels potenter Kundschaft wurden viele der großen Wohnungen zu WG's und es wohnen massenweise Studenten und junge Absolventen dort, die sich eine teure Wohnung nicht leisten können oder weil sie hier keine langfristige berufliche Perspektive haben. Viele dieser Häuser gehören noch ihren alten Besitzern, die sich schwer tun damit, ihre Häuser an Fondsgesellschaften zu verkaufen, weil ihr familiäres Schicksal eng mit diesen Häusern verbunden ist.


zuletzt bearbeitet 03.06.2017 19:54 | nach oben springen


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