Den Film hatte ich mir schon vor einigen Monaten angesehen und fand ihn gut, obwohl auch nicht herausragend. Hinsichtlich der Thematik gibt es bei mir freilich wenig geistige Reibung. Religion vergiftet die Herzen, diese Einsicht wird hier anschaulich illustriert.
Der Einsatz von Stimmen und Sprachgestus orientieren sich wohl am Zielpublikum bzw. an der Erziehung desselben. Fröhlich zwitschern, sinn- und verstandbefreit im großen Chor der Volksgemeinschaft ist das schöne Ziel. Oder darf man Volksgemeinschaft nicht mehr sagen?
Man sollte die Dinge von ihren Anfängen her betrachten bzw. von ihren Neuanfängen. Das war hier die Zeit nach dem letzten Krieg. Die beiden Deutschlands hatten ihre großen Brüder und haben sich derer Kultur und Baukultur ein großes Stück weit unterworfen. Wobei ich die Wohnbauten stalinscher Prägung aus den fünfziger und frühen sechziger Jahren so schlecht nicht finden kann. Die waren aber freilich auch ideologisch grundiert und es lag ihnen die Vision einer weitgehend homogenen Gesellschaft zugrunde bzw. der Gemeinschaft. Das Weltbild des Kapitalismus ist ein anderes und es gibt wahrscheinlich keinen illustrativeren Beweis dafür, daß 1989/1990 keine "Wiedervereinigung" und schon gar keine "Revolution" stattgefunden hat, als das Feld der Architektur. Für die Sichtbarmachung des Zeitenwandels braucht man aber auch nicht unbedingt die Institutionen verantwortlich machen (die schließlich auch nur Ausführende für Bevölkerungsmehrheiten sind); viel früher noch wurden die Zeichen beim individuellen Wohnbau gesetzt. Landhäuser im bayrischen oder schweizer Stil in sächsischen Landschaften auf der einen, Billighäuser nach Katalog mit der Option zur kreativen Endgestaltung durch die mehr oder weniger (zumeist letzteres) begabten Eigentümer. Wie Wolo schon schrieb: Architektur spiegelt Kultur bzw. Gesellschaft. In diesem Zusammenhang freilich auch die Eigentumsverhältnisse.
Zitat@printmaker: Es wird sich im Zusammenleben immer irgendeine Ordnung einstellen. Das Fundament einer höheren Ordnung kann nur die eigene Tradition sein. Alles andere wäre faktisch kulturelle Degeneration. Glücklicherweise zählt die Skepsis zu unseren Traditionen.
Da interessiert mich doch jetzt brennend der Unterschied zwischen "irgendeiner" Ordnung und der "höheren" Ordnung. Was wären die kennzeichnenden Merkmale von letzterer? Und was bitte ist "eigene Tradition"? Die wäre ja in Ost- und Westdeutschland durchaus unterschiedlich. Oder auf welche Zeiträume bezieht sich das?
Das Skepsis zu unseren nationalen Traditionen zählt...der Gedanke drängt sich mir nicht unbedingt auf.
Was wäre das richtige und was das falsche Leben? Wer hier "Orientierungshilfe" geben möchte, der wird Mißtrauen ernten. Das finde ich völlig in Ordnung.
Und wie von Mete schon angedeutet: die sogenannten "geordneten Verhältnisse" erweisen sich nur für denjenigen sinnvoll geordnet, der nicht näher hinschauen möchte bzw. für den Konservatismus ein Wert an sich ist.
@ernst Die neuen Landsleute waren nicht selten deformierte, gebeugte und angepaßte Charaktere. Die DDR als Projektionsfläche für defizitäre Weltsichten kam da gerade recht und so ist es denn auch geblieben. Der mdr liefert dafür den alltäglichen Beweis.
Freilich passt der Link, Wassermann. Wenn ich mich ordentlich voll- und zugeluthert fühle, dann nehme ich doch gern die Pius-Brüder. Aus Gründen der Ausgewogenheit :-)
Der Link zum Meier-Verlag sollte eigentlich nur zeigen, wo Herr Bechlenberg wohnt; in physischer Hinsicht. Wo er geistig wohnt, wird vielleicht besser mit diesem Link illustriert: http://www.herrenzimmer.de Und nein: ich habe kein Problem damit. Immerhin scheint er zur humorvollen Selbstreflexion fähig zu sein. Allerdings sind seine Probleme nicht meine und umgekehrt wird es ähnlich sein.
>Gehe ich Recht (nicht rechts) in der Annahme, dass Du achgut im Allgemeinen und diesen Artikel im Besonderen gar nicht so gut findest? < Zu Achgut im Allgemeinen kann ich gar nichts sagen, weil ich nur sehr wenige Artikel dort gelesen habe. Diesen Artikel "im besonderen" finde ich nicht besonders gut. Broder mag ich nicht, weil er mir in Talkshows (als ich die noch öfters angesehen habe) durch seine moralische Überheblichkeit und Demagogie aufgefallen ist (die Antisemitismus-Keule immer im Gepäck, wenn es argumentativ dünn wird).
>Mit den semitischen Völkern, also dem Völkischen und den Semiten kann man eigentlich immer nur alles total falsch oder überhaupt total machen. Da steht man immer auf der falschen Seite, jedenfalls hier.<
Nö, finde ich nicht. Und warum total? Man kann sich auch hier durchaus um eine differenzierte Sichtweise bemühen, beste Freunde hin oder her. Mit dem Religionsbrett vor dem Kopf geht das allerdings nicht. Einigermaßen amüsiert kann man gerade wieder die Heuchler bei ihren moralischen Verrenkungen beobachten. Also beim Bemühen um interreligiösen Dialog, eine Chimäre die schon bei ihrer Geburt so tot war, wie sie töter gar nicht vorstellbar ist.
Das ist nun weder neu noch selten, daß man gelegentlich Courage braucht um eine Meinung zu vertreten, die von der massenmedial verordneten oder auch der innerhalb eines ideologischen Milieus abweicht. Anders herum muß man aus individueller Feigheit auch nicht zwingend einen gesellschaftlichen Überbau konstruieren. Jedenfalls kann ich in meiner persönlichen sozialen Umgebung keine "Verabredung zum Schweigen" erkennen, wie es der Wahrnehmung des Autors dieses tränenreichen achgut-Artikels entspricht. Darin verstört mich dann auch die Bezeichnung von Augstein als Antisemiten. Das ist eine Diffamierung aus der Bessermenschen-Kampf-Rhetorik, die sich jeder einhandeln kann, der Verbrechen der israelischen Regierung zur Sprache bringt. Indem man geist- und kritiklos diesen demagogischen Unsinn übernimmt reiht man sich in die Kolonnen derer ein, die das angstbesetzte Schweigen zum gesellschaftlichen Normalzustand machen möchten. Also ich kaufe dem Autor seine Tränchen nicht ab. Oder sind die Verhältnisse in Belgien womöglich anders? http://www.dersportverlag.de/bechlenberg-archi-w-.html
Zum Thema selbst: Wer sich unter solchen Gegebenheiten als Künstler an einer Ausstellung beteiligt, der beschädigt sich selbst in seiner Würde und Authentizität. Es gibt eine Schmerzgrenze und die ist hier schon weit überschritten.
@Wassermann >Ich denke, es geht um eine weitere Sicht, um viel größere Zusammenhänge, die man aber erst erkennt, wenn man aus der eigenen Versenkung raus kommt. <
Wie soll das gehen ohne miteinander zu sprechen bzw. auch zu streiten? Die goldene Regel ist: hart in der Sache, aber ohne den Anderen persönlich anzugreifen. Das hat einige im mF-Forum überfordert; hier habe ich noch keinen Anlaß für eine Intervention wahrgenommen.
Mancher fühlt sich durch "falsche" Meinungen/Haltungen auf die Füße getreten. Wer sich in ein Forum begibt, hat es auszuhalten. Das ist wie im "richtigen Leben". In einem Kultourbus eigentlich eine Selbstverständlichkeit; Kultur hat/hatte immer mit dem Widerstreit von gegensätzlichen Positionen zu tun.
>Können wir wirklich nicht raus aus unseren Denk- und Erklärungsmustern? Die uns, wie wir doch längst in der großen Gesellschaft sehen, nur immer weiter auseinanderbringen?<
In der "großen Gesellschaft" findet der konstruktive Streit unter Demokraten derzeit "oben" nicht statt. Das ist m.E. das Problem. Dies findet genau deshalb sein Ventil "unten". Oft unter der Gürtellinie. Also auf der Straße oder in diversen Netzwerken.
Die Alternative ist für mich der kultivierte Austausch unter Zweiflern und Neugierigen. Der Kultourbus als Refugium für Gleichgesinnte wird bald mit Getriebeschaden auf der Strecke bleiben.
@Wolo Ich habe einiges von und über Kafka gelesen, was allerdings auch schon eine Weile her ist. Er war wohl zuerst ein äußerst empfindsamer Charakter, mit einem Hang zur Paranoia, dem es nicht gegeben war, sich in seinem sozialen Umfeld zu behaupten. Die Literatur war für ihn eine Art Ventil, mit dem er den auf ihm lastenden Druck gesellschaftlicher Zwänge und unerfüllter Bedürfnisse etwas mildern konnte. Und freilich gab es Einflüsse, die er literarisch verarbeitet hat.
Er war aber m.E. weit davon entfernt, Kulturen oder Religionen zu analysieren und daraus gewonnene Erkenntnisse in Fabeln zu vertiefen. Also sind beschriebene Konstellationen wie in der o.g. Geschichte nur Vehikel zum Transport von Kafkas Innenleben, aber keine politische Botschaft oder gar Prophezeiung.
Frau Homann hat viel über das Christentum und das Judentum geschrieben, da meint sie Kafka vielleicht ganz gut einreihen zu dürfen; aber es ist der Versuch am falschen Subjekt.
Wenn ich mich bisher nicht hier zu Wort gemeldet habe, dann lag es schlicht an meinen derzeit begrenzten zeitlichen Möglichkeiten und nicht etwa am Fehlen eines Aktivierungscodes, werter Wassermann Beim gelegentlichen Hereinschauen konnte ich allerdings mit der Struktur des Forum noch nicht so recht warm werden. Aber vielleicht liegt das an mir bzw. meiner fehlenden Flexibilität. Na und da hat Klara freilich recht: wenn sich ledigleich ein kleiner Kreis unentwegt Liebenswürdigkeiten zuwirft, dann wird es schnell langweilig.