Frühmorgens schon mal gar nicht. Später. Zuerst der Kaffee, dann der Blick aufs Raumthermometer, um gleich darauf die Heizung hochzufahren. Auf höchst. Am Abend habe ich dann endlich kuschelige 20 Grad Raumtemperatur erreicht. Juchhu!
Also.
Weil in diesem Jahr die Umzugspläne ganz konkret sind und umgesetzt werden wollen, lasse ich mich nicht auf sowas wie depressive Verstimmungen ein. Ich bewege mich, um warm zu werden, damit auch mein Geist mal aus der Hüfte kommt. Ich bewege mich durch die Wohnung, Wohnungsangebote übrigens derzeit spärlich und/oder unakzeptabel, und räume, sortiere und packe schon mal. Kann ja nicht schaden und - mir wird warm, solange die Motivation reicht. Wenn, dann aber, da bleibt nur noch die Couch und die Decke.
Darum sag ich derzeit wenig oder nix. Ich gehe, liege und stehe das erstmal nur durch.
In der Zwischenzeit freilich habe ich schon mal mein Spiegelbild - so im Vorübergehen - gesichtet. Zerknittert. Da kann ich mir doch ein Grinsen nicht verkneifen!
Und weil ich ab und zu incognito im Kultourbus mit reiste, kreisten meine Gedanken um Euch, Ihr Getreuen, und suchte für jedem von Euch nach Worten. Statt dessen fand ich erstmal Fragmente meiner Selbst, wie z.B. "Oh, du alte Pappschachtel!" Das haben wir als Kinder gesungen und gespielt, und ich habe das vor wenigen Jahren zu meinem Thema gemacht. Nur mal diesen Ausschnitt: "Ach, es war doch so verdammt wichtig gut auszusehen, um... Warum eigentlich? Um Bewunderung zu erheischen? Um den Märchenprinzen zu finden? Um im Beruf erfolgreich zu sein? Lang, lang ist es her. Ich mache die Erfahrung, unbeschwerter durch die Gegend zu laufen, seit ich sicher bin, dass mir niemand mehr große Beachtung schenkt. Statt dessen konzentriere ich mich auf den Weg, auf alles, was kreucht und fleucht. Ich nehme erst jetzt alles richtig wahr. Ich sehe wirklich, was ich mir anschaue, und ich höre die Zwischentöne viel deutlicher."
Anders ausgedrückt, ich hatte kein Problem damit, alt zu werden.
Ich fand noch ein anderes Fragment in einem Ordner, von Früher.
"Die Tür ist ins Schloss gefallen. Mama ist weg, ohne 'auf Wiedersehen' zu sagen. Die Kinder haben sich gleich zu Beginn des Streits in ihr Zimmer verzogen. Ich stehe wie erstarrt in der armseligen Küche, links das kleine runde Waschbecken, rechts der große alte Spültisch, darunter der große Wäschekorb mit schmutziger Wäsche. Ein Sturm heult und beutelt den schlanken jungen Birnenbaum im Hof. Zerzaust und gebeutelt vom Sturm des Lebens fühle ich mich auch.
Später gehe ich am Kinderzimmer vorbei, öffne kurz die Tür und sehe keines meiner drei Rangen. Doch ich hör sie gedämpft glucksen und kichern und entdecke, dass der Tisch mit Decken zu einer 'Bude' umfunktioniert wurde. Ich schließe die Tür und gehe schlapp ins Wohnzimmer. Auf dem Wohnzimnmertisch stapeln sich lose Blätter und zerfledderte Notizhefte, ein Teil der Hefte ist herunter gefallen. Darum ging es in der Auseinandersetzung mit Mama. Sie rümpfte gleich die Nase, nachdem sie gekommen war. 'Man kann ja kaum noch durch die Fenster sehen! Was sollen bloß die Leute denken?'
Ach Mama, seufze ich, ich habe ganz andere Sorgen!"
Wenn ich das, alt und grau wie ich geworden bin, lese, kann ich gar nichts Anderes denken als: "Du hast es geschafft!" Mir fallen noch eine ganze Reihe weiterer Hürden ein, die ich am Ende doch gemeistert habe, auch - wenn nicht alle Blütenträume reiften-. Ich lasse mir schon mal ein heißes Bad ein und schaue jetzt mal ohne Flachserei und ohne Ironie in den Spiegel. Das Spiegelbild lächelt, ich lächle zurück!